Nachhaltiges Planen und Bauen - ohne Stadt- und Raumplanung?

Podiumsdiskussion am Montag, 17. Mai 2010

Im ERSTE Bank Event Center in der Wiener Innenstadt diskutierten Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner über die Anforderungen einer „Ökostadt“, den Verkehr als Schlüsselrolle in der Nachhaltigkeitsdebatte und die Bedeutung der Erhaltung von dörflichen Strukturen. Die Podiumsdiskussion der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (bAIK) widmete sich diesmal den Modellen und Visionen für eine nachhaltige Stadt.

Zusammenfassungen der Redebeiträge




Peter Maydl
, Vorsitzender des bAIK-Ausschusses Nachhaltigkeit, beleuchtete einleitend eine grundlegende Herausforderung der Nachhaltigkeitsdebatte: Es müsse gelingen, langfristiges – nachhaltiges – Denken in kurzfristige Entscheidungsprozesse einzubinden. Schließlich beginne Nachhaltigkeit schon lange vor dem Bauen, eben bei der Stadt- und Raumplanung. Besonders in Städten sei das Potenzial hoch, allein ihre Dichte böte zahlreiche Chancen, vor allem im Energiebereich.



 

Rolf Messerschmidt, Büroleiter bei Joachim Eble Architektur, Tübingen, lieferte mit seiner Präsentation wichtige Impulse für die nachfolgende Diskussion. Schlaglichtartig stellte er aktuelle Ansätze zur Implementierung nachhaltiger Maßnahmen in die Stadtplanung vor. Basierend auf den Ergebnissen des EU-Projekts ECO-City zeigte er das dichte Geflecht an Anforderungen auf, die eine „Ökostadt“ zu erfüllen habe, darunter kurze Wege, eine multifunktionale dezentrale Infrastruktur, Nahwärmenetze, Grünzonen und nicht zuletzt die Partizipation der Bürger/innen. Er berichtete u.a. von der Energieregion Aberdeen, die sich schon jetzt auf das postfossile Zeitalter einstelle, vom ECOCITY-Projekt Tübingen oder dem ecoquartier Fuchsberg Pfaffenhofen mit seiner synergetischen Vernetzung von Energie, Abfall und Wasser.


 

Hermann Knoflacher, emeritierter Universitätsprofessor mit Forschungs-schwerpunkt Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, betonte, eine nachhaltige Stadt habe zuallererst für Fußgänger zu funktionieren: Eine Rückkehr zum menschlichen Maßstab sei notwendig. Dazu müssten die seit Jahrzenten auf den Autoverkehr zugeschnittenen Richtlinien gebrochen werden, denn noch immer werde in große Verkehrsadern investiert, die Städte zerstörten und Flächen vernichteten. Schließlich seien auch Millionenstädte eine Agglomeration von Dörfern, und diese dörflichen Strukturen gelte es zu erhalten bzw. wiederherzustellen − nicht zuletzt in Hinblick auf soziale Kontakte in der unmittelbaren Wohnumgebung.



Auch Erich Raith vom Institut für Städtebau und Raumplanung der TU Wien ordnete dem Verkehr eine Schlüsselrolle in der Nachhaltigkeitsdebatte zu, wenn auch unter anderen Vorzeichen: Mobilität gehöre zum Wesen des urbanen Lebens, das gleichermaßen Selektion bei der Wahl der sozialen Kontakte wie (erwünschte) Anonymität gewährleiste. Als ebenso wichtige Komponente nannte er die Entwicklungsfähigkeit einer Stadt: Wohnbau und Einfamilienhäuser seien nach wie vor zentrale Themen, ließen dieses Entwicklungspotenzial jedoch vermissen. Zu maßgeschneidert seien sie auf aktuelle Lebensphasen- und Familienmodelle − und folglich nicht in der Lage, notwendige Prozesse zu durchlaufen. Noch nie, so sein Resümee, sei Territorium so unintelligent genutzt worden.

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